News / Ratgeber / Eigene Veröffentlichungen

Lange Standzeit eines verkauften Kraftfahrzeugs führt nur bei Neuwagen und „jungen Gebrauchtwagen“ zu Gewährleistungsansprüchen

In einer kürzlich ergangenen Entscheidung des Bundesgerichtshof setzte dieser sich mit der Frage auseinander, in welchen Fällen eine dem Käufer vor dem Kauf nicht mitgeteilte längere Standzeit zu Gewährleistungsrechten führt (Urteil vom 29. Juni 2016 – BGH VIII ZR 191/15).

Bei einem Kaufvertrag kommen Gewährleistungsrechte, wie die Minderung des Preises, die Rückgängigmachung des Vertrags und unter bestimmten Umständen Schadensersatz dann in Betracht, wenn ein so genannter Sachmangel vorliegt. Was ein Sachmangel ist, wird im Gesetz wie folgt umschrieben: „Die Sache ist frei von Sachmängeln, wenn sie (…) die vereinbarte Beschaffenheit hat. Soweit die Beschaffenheit nicht vereinbart ist, ist die Sache frei von Sachmängeln, wenn sie sich für die nach dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung eignet, sonst wenn sie sich für die gewöhnliche Verwendung eignet und eine Beschaffenheit aufweist, die bei Sachen der gleichen Art üblich ist und die der Käufer nach der Art der Sache erwarten kann. (…)“.

Standzeiten eines Kraftfahrzeugs sagen per se, also ohne Hinzutreten weiterer Schäden, zum Beispiel am Lack oder porösen oder undichten Bauteilen, an sich nichts über die Beschaffenheit oder Verwendungseignung eines Fahrzeugs aus.





Gleichwohl hatte der BGH entschieden, dass bei einer Standzeit von mehr als 12 Monatenvor dem Verkauf dem durch die Standzeit voranschreitenden Alterungsprozess bei neuen Fahrzeugen oder zumindest „jungen Gebrauchtwagen“ ein so großes wirtschaftliches Gewicht zukommt, dass allein die lange Standzeit zur Annahme eines Sachmangels führe.

In der hier besprochenen Entscheidung hat der BGH entschieden, dass ein zwei Jahre und vier Monate nach seiner Erstzulassung verkaufter Gebrauchtwagen nicht mangelhaft ist, auch wenn das Fahrzeug zwischen Herstellung und Erstzulassung eine Standzeit von mehr als zwölf Monaten aufweist.

In dem Rechtsstreit hatten Verkäufer und Käufer keine Vereinbarung über ein bestimmtes Herstellungsdatum oder Baujahr getroffen. Hierfür reicht die Angabe des Datums der Erstzulassung im Kaufvertrag mindestens dann nicht aus wenn durch den einschränkenden Zusatz „lt. Fzg.-Brief“ ersichtlich keine eigene verbindliche Willenserklärung abgegeben werden soll, sondern nur Wissen aus einem Dokument wiedergegeben wird.

Die lange Standzeit führt auch nicht dazu, dass sich das gekaufte Fahrzeug nicht für die gewöhnliche Verwendung eignet und nicht die übliche zu erwartende Beschaffenheit aufwies. In Abgrenzung zu Neufahrzeugen oder „jungen Gebrauchtwagen“ komme dem durch die Standzeit unterstellten Alterungsprozess nur bei neuen Fahrzeugen oder zumindest „jungen Gebrauchtwagen“ besonderes wirtschaftliches Gewicht zu. Bei sonstigen Gebrauchtwagen lasse sich zumindest nicht allgemein gültig eine solche Aussage treffen.

Welche Standzeiten ein Käufer bei älteren Gebrauchtwagen erwarten darf, hängt danach von den Umständen des Einzelfalls ab, zum Beispiel der Dauer der Zulassung zum Verkehr, der Laufleistung, der Anzahl der Vorbesitzer und der vorherigen (Ab-)Nutzung. Je nach Dauer der bestehenden Zulassung, Laufleistung und Abnutzung verliert der durch eine längere Standzeit verursachte Alterungsprozess zunehmend an Bedeutung.

Das bedeutet in der Praxis, dass allein der Verweis auf eine verschwiegene lange Standzeit bei älteren Gebrauchtwagen - ohne zusätzliche Rüge konkreter standzeitbedingter Mängel – nicht dazu führt, dass erfolgreich Gewährleistungsrechte geltend gemacht werden können.


<< ZURÜCK ZUR ÜBERSICHT